Das Stromnetz: fit für die Elektromobilität!

Neulich habe ich mal wieder die Leser-Kommentare zu einem Artikel über Elektromobilität gelesen – und gleich schlechte Laune bekommen. Dort breiten Menschen, die offensichtlich noch nie ein E-Auto gefahren haben oder sich darüber informiert hätten, erschreckend falsche Vorurteile aus. Ein Klassiker unter den E-Mobilitäts-Mythen:

Wenn 10 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen unterwegs sind, wie es die Regierung für 2030 anstrebt, dann bricht das Stromnetz zusammen!?

Heutiges Stromnetz kann 10 Millionen E-Autos versorgen ! Beitrag von Kerstin Griese

Fakt ist: Schon heute könnte das Stromnetz 10 Millionen E-Autos verkraften! Und dafür gibt es gute Gründe:

Zum einen laden die meisten E-Auto-Besitzer ihre Fahrzeuge zu Hause an der Steckdose oder an so genannten Wallboxen. Dabei werden lediglich Ladeleistungen zwischen 2,3 kW und 11 KW abgerufen. Das entspricht etwa 1 bis 3 Backöfen.

Aber auch solche Leistungen könnten sich summieren, wenn abends alle nach Hause kommen und gleichzeitig ihr E-Auto anschließen. Die Lösung liegt im Lademanagement Deshalb haben in den letzten Jahren mehrere Feldversuche stattgefunden, die diese Situation überprüft haben.

Standardlastprofil H0 Haushalte nach VDEW (Quelle: Standardlastprofil H0 (Haushalte) nach VDEW)

Spoiler: Es kam nirgendwo zu kritischen Netzsituationen. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang ist Lademanagement.

Aber von Anfang an: Projekt „Urbanes Laden“ untersucht Reihenhaussiedlung

Zwischen Juni und Oktober 2020 fand z. B. im österreichischen Linz das Projekt Urcharge (kurz für: Urbanes Laden) statt (2). Dort tauschten 50% der Haushalte (51 Stk.) einer Reihenhaussiedlung ihren Verbrenner gegen ein Elektroauto. Die Wagen wurden in der gemeinsamen Tiefgarage mit 106 Stellplätzen geladen. 51 dieser Stellplätze waren mit 11 kW-Wallboxen ausgestattet. Die durchschnittliche Fahrleistung der E-Wagen-Fahrer betrug 13.000 km/Jahr. Das entspricht dem österreichischen Durchschnitt. Angeschlossen wurden die Fahrzeuge in der Regel zwischen 16.00 und 20.00 Uhr, nämlich nach Rückkehr von der Arbeit oder nach Ausflügen. Zwischen 6.00 und 9.00 Uhr beendeten die Bewohner i. d. R. die Ladung, d. h. die Fahrzeuge hingen gewöhnlich die ganze Nacht am Netz. 90% der Ladungen fand zuhause statt. Nur 10% der Ladevorgänge erfolgte unterwegs.

Lademanagement nivelliert Stromverbrauch

Mit Hilfe einer Lademanagement-Software wurde die Ladung über die gesamte Nacht gestreckt. Damit nivellierten sich sowohl die Netzspitzen am Abend, als auch die sonst übliche Nachtsenke (wo standardmäßig sehr wenig Strom verbraucht wird), vielmehr wurde das Netz gleichmäßig belastet. Die Fahrzeughalter konnten morgens ein vollgeladenes Fahrzeug nutzen und die Netzbelastung war mit unter 1 kW pro Fahrzeug trotzdem deutlich geringer als erwartet. Was auch auffiel: Je länger die Bewohner ihr E-Auto nutzten, umso sicherer wurden sie was die Einschätzung der Restreichweite anging.

Während die Teilnehmer zu Beginn des Projektes das Fahrzeug täglich aufluden, gaben am Ende 44% der Teilnehmer an, dass Fahrzeug nur noch bei Bedarf zu laden.


E-Mobility-Alle, E-Mobility-Chaussee, E-Mobility-Carré

Auch in Baden-Württemberg fanden entsprechende Test der Netze BW statt (3): Zunächst 2019 das
Projekt „E-Mobility Allee“, das einen Straßenzug mit E-Autos ausgestattet und überprüft hat. Das Projekt ist mit dem Linzer Versuch vergleichbar und hat ähnliche Ergebnisse gebracht.

Mit dem Projekt „E-Mobility Chaussee“ wurde die Situation auf dem Land, mit „E-Mobility-Carré4“ die Situation in einem Mehrfamilienhaus in der Stadt simuliert. Auch hier zeigte sich die positive Wirkung des Lademanagements.

Anreize zum netzdienlichen Laden Ende 2020 ist in Braunschweig das auf zwei Jahre angelegte
Projekt „Ladeinfrastruktur 2.0“ aufgesetzt worden(3). Dort will man prüfen, wie variable Stromtarife Anreize zum netzdienlichen, ökologischen Laden setzen können.


Intelligente Wallboxen ermöglichen Lademanagement-Lösungen

Lademanagement-Lösungen sorgen für die bestmögliche Auslastung des Stromnetzes, indem der verfügbare Strom gleichmäßig auf die genutzten Ladepunkte aufgeteilt wird. Dazu benötigt man intelligente Wallboxen, die erkennen mit welcher Leistung das angeschlossene E-Auto laden kann und wieviel Leistung insgesamt zur Verfügung steht.

Privatpersonen können sich solche netzdienlichen Wallboxen von der KfW mit 900 Euro fördern lassen.

Der Netzbetreiber kann dann von Außen den Stromfluss regeln. Neben Wohnanlagen und -quartieren eignen sich solche Lösungen auch für Mitarbeiter-Parkplätze.

Man unterscheidet verschiedene Typen von Lademanagement-Lösungen (5)

Statisches Lademanagement: Alle Ladepunkte greifen auf eine fixe Gesamtleistung zu. Diese wird gleichmäßig auf die genutzten Ladepunkte aufgeteilt.

Dynamisches Lademanagement: Zur Verfügung steht eine flexible Restleistung, die auf die genutzten Ladepunkte verteilt wird. Bei den Stadtwerken Solingen habe ich eine Animation gefunden, die das dynamische Lademanagement behandelt.

Fahrplanbasiertes Lademanagement: Das Lademanagement reagiert auf individuelle Anforderungen. Ein Fahrzeug, dass zu einem Zeitpunkt x einsatzbereit sein muss, wird bevorzugt geladen.  

Quellen: (1) Ist das Stromnetz bereit für E-Autos? I EnBW
(2) und (3) Elektroautomobil, Ausgabe 2/2021, Seiten 59 – 63
(4) https://www.electrive.net/2021/04/16/netze-bw-wertet-feldversuch-e-mobility-carre-aus/
(5) Wozu Lastmanagement für Elektroautos? (edison.media)